Leonhart Fuchs Werner Waimann

Leonhart Fuchs: Das Kräuterbuch von 1543

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Von Negelblumen. Cap. CXXXIII.

 

Abbildung Dondernegele
Dondernegele ( CXCVIII )
Abbildung: Seite 363

Deutsch: Nelke, Karthäuser-
English: Sandwort, thyme-leaved
English: Pink, carthusian
Francais: oeillet des Chartreux
Latein: Dianthus carthusianorum
 

Abbildung Wild negele
Wild negele ( CXCIX )
Abbildung: Seite 364

Deutsch: Nelke, Pracht-
English: Pink, fringed
English: Pink, superb
Francais: oeillet superbe
Latein: Dianthus superbus
 

Abbildung Negelblum
Negelblum ( CC )
Abbildung: Seite 365

Deutsch: Nelke, Garten-
English: Carnation
English: Pink, clove
Francais: oeillet des fleuristes
Latein: Dianthus caryophyllus

Namen.

D
Ie Negelin oder Negelblumen werden auch Graßblumen genent / von wegen jhrer graßbletter. Vonn den allten Griechen seind sie Betonicae gheyssen worden. Daher kompts das mans noch zur zeit inn den Apotecken Tunicas / mit einem zerstörten und halben namen nent / für Betonicas / wie wir sölchs in unserm Lateinischen kreüterbuch nach der leng haben angezogen.

Geschlecht.

   Der Negelblumen seind fürnemlich zwey geschlecht / zam und wild. Der zamen findt man auch gefüllt und ungefüllt von mancherley farben. Dann jhr ettlich seind gantz weiß / ettlich leibfarb / ettlich werden blutrot / ettliche schwartzrot. Hergegen findt man Negelin die seind mit farben zertheylt / also rot unnd weiß / das ist / die roten bletter übertreffen mit der zal die weissen / unn widerumb ettlich weiß und rot. Es seind auch ettlich diser blumen weiß / unn mit kleinen roten tröpfflin besprengt. Ettliche aber seind rot / unnd mit weissen strömlin oder milchtröpfflin underzogen. Der wilden Negelin seind auch fürnemlich zwey geschlecht / ettlich haben satt rote oder gar nach leibfarbe blumen mit fünff bletlin / die heyßt man Blutßtröpfflin / oder Dondernegelin. Ettlich haben braunweiß zasecht oder gefidert blumen / mögen Feldtnegelin genent werden. An ettlichen orten nent mans Mutwillen und Hochmut.

Gestalt.

   Die zamen Negelin haben bletter beynach wie der Knoblauch / oder Lauch / langlecht / spitzig / und äschenfarb. Jhre stengel seind rund / elen lang / und zu zeiten lenger / knöpffecht / die sich in einander fügen gleich als die büchßlin. Die blumen seind über die massen hüpsch von farben / als weiß / leibfarb / schwartzrot / liechtrot / weiß zerteylt / rot zerteylt / weiß unnd rot gesprengt / gefüllt und ungefüllt / wie vormals ist angezeygt / riechen wol als die rechten Negelin. So man dise blumen nit abbricht / so bringen sie schwartzen samen als Zwibel samen / in den langen köpfflin verschlossen. Die wurtzel ist rotlecht und reucht wol.
   Die wilden Negelin Blutßtröpfflin genent / seind mit stengel / graß oder blettern / knöpff / blumen / unn wurtzeln / den zamen gleich. Die blumen aber seind die kleinsten under allen Negelin blumen / unnd einfach / mit fünff oder sechs blettlin. Die Feldtnegelin seind mit graß / stengel / knöpfflin / auch den zamen ettwas gleich. Deren blumen seind braunweiß / und ein yedes blettlin zerspalten und gefidert. Die wurtzel ist zasecht.

Statt irer wachsung.

   Die zamen Negelin werden allenthalben von den jungfrawen und meniglich in scherben und gefässen auffgezogen und gepflantzt. Die Dondernegelin wachsen auff dürren / sandigen / graßechten / unn ungebawten stetten. Die Feldnegelin wachsen auch von sich selbs in ettlichen wisen / äckern und gärten.

Zeit.

   Beyderley geschlecht blumen findt man zu summers zeiten. Der zamen Negelin blumen weren biß in winter hinein.

Die natur und complexion.

   Die Negelblumen seind warm und trucken / das man leichtlich auß dem geschmack abnimpt / der do bitter ist.

Die krafft und würckung.

   Die Negelblumen gepulvert und in weissem wein getruncken / seind gut für schlangen / scorpion / und allerley stich unn bissz der vergifften thiern. Darumb die allten sölche zu verwarung des leibs seer gebraucht haben. Sie seind gut getruncken denen so den fallenden siechtag haben / in sonderheyt die Blutßtröpfflin. Heylen die wunden unn den krebß / darin gestrewt / doch soll man vorhin die wunden mit dem safft der auß disem kraut getruckt ist wäschen. Man mag sie auch in der speiß brauchen wider die würm im leib. Sie ziehen die gebrochnen bein herauß. Der safft getruncken bewaret vor der pestilentz / unnd ist auch die entledigen so mit diser kranckheyt begriffen seind. Es würt auß den blumen ein öl gemacht / das ist nützlich denen vonn einem wütenden hund gebissen seind / zu den fisteln / unn ohrmützeln / angestrichen. Negelblumen safft in die augen gethon / scherpfft das gesicht. So sie in wasser gesotten werden / und sölchs im mund warm gehalten würt / linderts den schmertzen der zän. Diser gestalt getruncken fürdern sie die geburt. Die blumen gepulvert und getruncken morgens früe / bewaren vor trunckenheyt. Seind gut mit essig unn Meth genommen wider das grawen und speien. Gesotten in wasser unn übergeschlagen / miltern sie den schmertzen des Podagrams. Ziehen auß das gifft des wütenden hunds / der gestalt übergelegt. Dieweil dann die Negelblumen so mancherley krafft und würckung haben / mag man auch Conserven darauß machen / wie auß Viol / Rosen / unnd dergleichen. Der wilden Negelin safft ist treffenlich gut zu dem lendenstein / dann er zermalet und treibt denselbigen auß durch die blasen mit dem harn.

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