Leonhart Fuchs Werner Waimann

Leonhart Fuchs: Das Kräuterbuch von 1543

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Von Storckenschnabel. Cap. LXXVI.

 

Abbildung Storckenschnabel
Storckenschnabel ( CXIII )
Abbildung: Seite 223

Deutsch: Reiherschnabel, gewöhnlicher
English: Heron's bill
English: Storksbill, common
Francais: bec de grue (cicutin)
Latein: Erodium cicutarium
 

Abbildung Daubenfüß
Daubenfüß ( CXIIII )
Abbildung: Seite 224

Deutsch: Storchschnabel, rundblättriger
English: Cranesbill, round-leaved
Francais: géranion à feuilles rondes
Latein: Geranium rotundifolium
 

Abbildung Ruprechts kraut
Ruprechts kraut ( CXV )
Abbildung: Seite 225

Deutsch: Storchenschnabel, stinkender
Deutsch: Ruprechtskraut
English: Herb Robert
Francais: herbe à Robert
Latein: Geranium robertianum
 

Abbildung Kranichhals
Kranichhals ( CXVI )
Abbildung: Seite 226

Deutsch: Storchenschnabel, schlitzblättriger
English: Cranesbill, cut-leaved
English: Root, alum
Francais: géranion découpé
Latein: Geranium dissectum
 

Abbildung Blutwurtz
Blutwurtz ( CXVII )
Abbildung: Seite 227

Deutsch: Storchenschnabel, Blut-
English: Cranesbill, bloody
Francais: géranion sanguin
Latein: Geranium sanguineum
 

Abbildung Gottes Gnad
Gottes Gnad ( CXVIII )
Abbildung: Seite 228

Deutsch: Storchenschnabel, Wiesen-
English: Cranesbill, meadow
Francais: géranion des prés
Latein: Geranium pratense

Namen.

S
Torckenschnäbel seind von den Griechen unnd Lateinischen genent worden Gerania / darumb das sie am obersten teyl des stengels bringen ein köpfflin mit langen schnäbelin / nit anderst dann die Krench / oder Storcken. Unnd daher kompt es / das zu unsern zeiten würdt Rostrum ciconiae geheyssen / das ist / Storckenschnabel.

Geschlecht.

   Der Storcken oder Kranchschnäbel seind sechserley geschlecht. Das erst hat seer lang schnäbel / und oben zugespitzt wie ein nadel / würt derhalben Acus pastoris / das ist / Hirten nadel / und Acus muscata genent. Auff Teütsch aber heyßt mans in sonderheyt Storckenschnabel. Das ander geschlecht mit den Pappeln blettern / würt von ettlichen Pes columbinus geheyssen / auff Teütsch Taubenfuß / unn Schartenkraut. Das dritt / welchs bletter dem Muterkraut / oder Kerbelkraut gleich seind / würdt herba Roberti / oder Robertiana / das ist Ruprechtßkraut genent. Das vierdt geschlecht mit den tieff außgeschnitnen blettern / darmit es von den andern möchte underscheyden werden / haben wir Kranchhals geheyssen. Das fünfft / welchs bletter hat dem Hanenfuß gleich / würdt Gratia Dei / das ist / Gottes gnad genent / umb seiner heylsamen krafft willen. Das sechst / welchs der gestalt nach dem vierdten gschlecht seer gleich ist / doch grösser / würdt Blutwurtz geheyssen / darumb das es über die massen krefftig ist im blut stellen.

Gestalt.

   Das erst geschlecht hat von unden auff rote unnd harige stengel / kleine zerspaltne unn zerkerffte bletter. Seine blümlin seind presilgenbraun / darauß werden köpfflin mit langen schnäbelin als die nadeln / den Storcken oder Krenchschnäbeln gleich. Die wurtzel ist fingers lang / weiß / rund / und süß. Das ander hat zarte unn dünne stengelin / von unden auff rot / unnd harig. Seine bletter seind den Pappeln blettern gleich / zu ringßumbher zerschnitten / und an der farb nit so grün. Die blümlin seind seer klein unn purpurfarb / die werde auch zu kleinen köpfflin mit schnäbelin / doch nit so lang als an dem ersten geschlecht.
   Das dritt geschlecht hat auch gantz rot unn harig stengel / mit seinen gleychen / unnd ist eines unlieblichen geruchs. Die bletter seind dem Muter oder Kerbelkraut gleich. Die blumen seind presilgenbraun / die werden zu kleinen harigen köpfflin mit schnäbelin geziert. Die wurtzel ist inwendig grün / und zeücht zusamen. Das vierd hat auch rote harige stengelin wie die andern geschlecht. Die bletter seind vil mehr und tieffer außgeschnitten und zerkerfft / wie ein hendlin mit vilen fingerlin. Deren blume seind braunrot / zimlich groß / darauß werden auch köpfflin mit harigen schnäbelin / in welchen so sich auffthun / findt man fünff körner zu ringßumbher umb das schnäbelin wachsen / welche sein same seind. Die wurtzel ist inwendig weiß / unnd außwendig geel. Das fünfft geschlecht ist dem nechsten gantz und gar in den blettern und blumen gleich / allein das sie grösser seind / unn die blumen vergleichen sich den kleinen rößlin. Der stengel ist höher / und harig / doch zart und dünn. Die wurtzel ist seer lang / und zu zeiten inwendig gantz braunrot. Das sechst ist grösser dann der andern keins / bringt lange / runde / und harige stengel / von unden auff rotlecht. Seine bletter seind dem Hanenfuß gantz unnd gar gleich. Die blumen seind schön himelblaw / darauß werden auch köpfflin mit Krenchschnäbeln. Die wurtzel ist lang und dick / mit vilen zaseln.

Statt irer wachsung.

   Allerley geschlecht der Storckenschnäbel wachsen von sich selbs / an ungebawten stetten. Das erst aber wechst fürnemlich auff sandigen magern gründen / neben den strassen / unnd auff den äckern. Das ander geschlecht wechst etwan an den sandigen büheln / unnd krautgärten. Das dritt an dunckeln ungebawten stetten / unnd fast allenthalben in den hecken. Das vierdt findt man etwan auff den äckern / bey den zeünen / unnd auff den kirchhöfen. Das fünfft wechst gern auff den hohen steynigen bergen. Das sechst schier allenthalben in den wisen.

Zeit.

   Das erst geschlecht bringt seine blümlin von stund an im anfang des frülings / fürnemlich im Aprillen / welche darnach den gantzen summer were. Das ander / dritt / unn vierdt geschlecht blüen im Meyen am allermeysten. Das fünfft und sechst im Brachmonat und Hewmonat.

Die natur und complexion.

   Aller Storckenschnäbel bletter und wurtzel / das erst außgenommen / welchs verzert und zerteylt / ziehen zusamen und trücknen.

Die krafft und würckung.

   Die allten haben allein das erst geschlecht in der artzney gebraucht / darumb das sie die andern nit erkant haben. Dasselbig aber so mans in wein gepulvert oder aber gesotte trinckt / vertreibt es das auffbläen der muter. Es ist auch gut diser gestalt zweymal jngenommen / denen so die schwindsucht haben.
   Der safft von der wurtzel ist nützlich den ohren / so er darinn gethon würt. Die wurtzel treibt den harn / ist gut denen so den lendenstein haben. Der andern Storckenschnäbeln bletter unnd wurtzel seind fürtreffenlich gut zu allerley wunden und geschwären / dann sie heylen dieselbigen. Man mag sie auch brauchen zu linderung der schmertzen so sich in den gleychen unn glidern erheben. Das dritt geschlecht würt in sonderheyt gelobt dienstlich zu sein dem rotlauff / so man das kraut zerknütschet unnd darüber legt. Es heylet auch die mundfeule / unnd geschwär an den brüsten / heimlichen orten unnd glidern / so man das pulver darinn strewet / oder das kraut grün zerknütschet darüber schlecht. Under allen aber ist keins krefftiger in heylung der wunde / geschwär unnd blutstellung / als das fünfft geschlecht / dann es zu zeiten das blut stellt / so mans in der hand allein helt / daher würt es auch Blutwurtz genent.

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